Montag, 3. Mai 2021

Rezension: Fang den Hasen von Lana Bastašić

© S.Fischer Verlag

Ich kenne die Namen der Bäume nicht, ich erinnere mich nur daran, dass sie uns schweigend bei unserer Flucht zusahen. Sie standen in Reih und Glied, als ob sie zu unserer Beerdigung gekommen wären. - Seite 111

Inhaltsangabe:

Zwei Freundinnen in einem Opel Astra durch den Balkan nach Wien. Lejla, die Schamlose, Unbändige, die stets den Mund aufmacht und das sagt, was sie sich denkt. Sie ist definitiv nicht auf den Mund gefallen. Sara, die besonnene Tochter des Polizeichefs, die alles für Lejla macht und dabei viel zu wenig an sich denkt. Als junge Mädchen waren sie unzertrennlich, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Eine besondere Freundschaft, die plötzlich zerfällt wie das Land, in dem sie aufwachsen. 12 Jahre ist es her, als Sara Bosnien verließ. 12 Jahre Funkstille, bis sie eines Tages einen Anruf von Lejla erhält, mit der Bitte sofort nach Bosnien zurückzukommen. Es wird kein harmloses Wiedersehen der beiden damaligen Freundinnen, sondern eine verrückte Reise, immer tiefer hinein in die Abgründe der jugoslawischen Geschichte.

Bild- und Zitaterechte: S.Fischer Verlag. Aus dem Bosnischen von Rebekka Zeinzinger.

Einmal sagte sie zu mir, Dichter würden schreiben, weil sie keine eigenen Erinnerungen hätten, also erfänden sie sie. - Seite 112

Meine persönliche Meinung:

Warum wollte ich dieses Buch lesen? Weil ich es desöfteren im World Wide Web entdeckt habe und ich neugierig geworden bin. Das quietschgelbe Cover mit den Hasen und ein Klappentext, der mich nicht mehr losgelassen hat. Auf den ersten Seiten habe ich sofort gemerkt, dass es sich hier um eine etwas andere und besondere Erzählart handelt. Die Kapitel wechseln zwischen Gegenwart und Vergangenheit ab, somit bekommt man sofort einen guten Einblick in die Freundschaft und das Leben der beiden Frauen.

Vielleicht ist das Erinnern für mich auch wie ein zugefrorener See - trüb und glatt -, an dessen Oberfläche sich von Zeit zu Zeit ein Riss auftut, durch den ich meine Hand stecken und ein Detail, eine Erinnerung im kalten Wasser fassen kann. Doch zugefrorene Seen sind heimtückisch. Mal erwischt man einen Fisch, ein anderes Mal bricht man ein und ertrinkt. Aus Erfahrung weiß ich, dass fast alle Erinnerungen an sie die Tendenz zu Letzterem haben. Deshalb hatte ich mich auch zwölf Jahre lang bemüht, mich nicht zu erinnern. Und es hatte funktioniert. Unglaublich, auf wie wenig wir uns reduzieren können, wenn es von Vorteil ist. Und dann meldete ich mich am Telefon und sagte ihren Namen. Das Wasser war vertraut und eiskalt. In seinen Tiefen lauerten dreiköpfige Ungeheuer. - Seite 112-113

Literarisch wirklich große Klasse. Ein wunderschöner Schreibstil, eine tolle Erzählart, die das Buch doch besonders gemacht hat. Unglaublich spannend und packend zugleich. Allerdings hat mich während dem Lesen stets etwas gestört. Ich konnte mit Lejla leider absolut nichts anfangen. Ein dominantes Persönchen und leider komme ich auch im richtigen Leben mit solchen Personen nur schwer zurecht. Sie hat schon von klein auf stets die Kontrolle über Sara gehabt, das hat sich leider auch 12 Jahre später noch nicht geändert. Lejla bestellt Sara nach Mostar, um mit ihr dann gemeinsam nach Wien zu reisen. Dort soll ihr verschwundener Bruder Armin sein, für den Sara alles tun würde. Sara packt ihre Tasche und lässt ihre neue Heimat Dublin, ihren Freund und eine Avocado-Pflanze zurück.

Mit manchen Leuten war es nach so vielen Jahren und Geschichten, die sich ereignet hatten, unmöglich, unverbindlich zu plaudern. - Seite 114

Auch wenn beide Freundinnen so grundverschieden zu sein scheinen, sind sie doch stets immer vereint gewesen, durch die gemeinsame Herkunft und deren Geschichte. Der Wunsch, die Freundin wiederzusehen, scheint bei Lejla so übermächtig zu sein, dass sie diese aus ganz anderen Beweggründen zu dieser gemeinsamen Reise bringt. Nach und nach liest man aus den Zeilen heraus, um was es ihr tatsächlich geht.

Ein Teil von mir wollte sie loswerden, sie wie eine leere Dose aus dem Auto auf die Landstraße werfen. Doch der andere Teil fürchtete sich vor ihrer Abwesenheit. Sie war nicht mehr nur Lejla. Jetzt war sie auch Armin und Wien und das Ende der Geschichte. Ich war nicht bereit, all das aufzugeben. - Seite 169

Eine Reise durch ihre Freundschaft, durch die Geschichte Jugoslawiens, eine Geschichte von Krieg und von Trennung. Ein Ende, das mich mit vielen Fragen und leider etwas unzufrieden zurückgelassen hat. Ich wusste eigentlich nicht so richtig, was mir diese Geschichte nun vermitteln wollte und doch konnte ich das Buch nie so richtig zur Seite legen. Lana Bastasic hat es trotz allem geschafft, mich zu fesseln, obwohl mich die Geschichte nicht ganz so überzeuen konnte. So etwas hatte ich definitiv noch nie. Es ist für mich jetzt kein Buch, bei dem man etwas verpassen würde, wenn man es nicht gelesen hat und doch finde ich, dass man es lesen soll, um sich selbst überzeugen zu können, denn ich denke sehrwohl, dass viele diese Geschichte begeistern wird und auch kann. Ich hatte leider so meine Schwierigkeiten und wurde einfach mit beiden Protagonistinnen nicht richtig warm, obwohl mir Sara wirklich um eininges sympathischer war. Lies dieses Buch und lass dich überraschen.


  • Herausgeber: S. FISCHER; 3. Edition (10. März 2021)
  • Sprache: Deutsch
  • Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
  • ISBN-10: 3103970323
  • ISBN-13: 978-3103970326
  • Originaltitel: Uhvati zeca 
  • Übersetzt von: Rebekka Zeinzinger
  • Preis: 22,70€
 
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