Samstag, 25. Juni 2022

Rezension: Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau von Marie-Renée Lavoie

© Eichborn Verlag
Eigentlich gibt es nur ein echtes Problem bei einer Hochzeit: das gegenseitige Treuegelöbnis. Es ist einfach unseriös, sich Liebe für ein ganzes Leben zu versprechen, in guten wie in schlechten Zeiten. - Seite 8

Inhaltsangabe: 

Diane, 48 Jahre alt, wird von ihrem Mann verlassen. Sie sei ihm zu langweilig geworden. Er habe auch noch eine neue Freundin, die natürlich ein paar Jahre jünger als sie ist. Diane macht sich auf die Suche nach ihrem Selbstvertrauen und erlebt Zusammenbrüche in Umkleidekabinen, Weißweinpartys am frühen Nachmittag, kleine Rachen an der Geliebten sowie der ewig vorwurfsvollen (Ex-)Schwiegermutter und Zerstörungsorgien im ehemals trauten Heim.

Bild- und Zitatrechte: Eichborn Verlag. Aus dem kanadischen Französisch von Christiane Landgrebe.

Ich habe geheiratet, weil die Familie meines Mannes Liebe allein zu simpel fand. Ich hatte bis dahin noch nie gehört, dass Einfachheit etwas Schlechtes sein könnte. Aber sie wollten es gern schwierig - bitte schön, jetzt konnten sie es erleben: Scheidungen sind schließlich alles andere als simpel. - Seite 9

Meine persönliche Meinung:

Was für ein toller und witziger Roman. Ich habe dieses Buch ab der ersten Zeile an geliebt. Eine Geschichte, die dich vom Anfang bis zum Ende immer wieder zum schmunzeln einlädt.

Wenn man sich seinen Ehemann zu sorgfältig aussucht, fällt es einem später schwer, ihn zu teilen. - Seite 28

Eine Protagonistin, mit der ich viel gelacht habe. Diane ist seit 25 Jahren verheiratet und hat bereits 3 erwachsene Kinder. Alles ist so, wie es im ganz normalien Familienalltag abläuft. Die Kinder werden groß, ziehen aus und die Eltern haben das traute Heim wieder für sich alleine. Diese Zeit wollte Diane mit ihrem Mann eigentlich genießen, als dieser sich von ihr trennt und mit seiner neuen Freundin neue Wege geht. Damit diese Trennung zu keinem Skandal wird, verlangt man von Diane, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Silberhochzeit dennoch mit allen Freunden und Verwandten zu feiern. Nicht mit ihr! Ihre Wut lässt sie desöfteren im Haus aus, durchbricht Wände und gestaltet so das Haus neu um. Sie besucht ab sofort eine Therapeutin und durchlebt alle Höhen und Tiefen einer Trennung, die alles andere als langweilig sind.

Alle Fehler, die er nicht hatte, erinnerten mich an meine eigenen, und so hatte ich den Eindruck, in all den Jahren dem Mann, der mich vielleicht eher aus Mitleid denn aus Liebe geheiratet hatte, nie gerecht geworden zu sein. - Seite 29

Die Autorin hat sich mit dieser Geschichte eine Ehe vorgeknöpft und daraus ein herrliches Bild unserer Gesellschaft dargestellt. Ein Gedankengang, der mir gleich am Anfang des Buches aufgefallen und einfach nur herrlich ist:
Als junger Mensch ist man euphorisch in der Liebe. Man verspricht sich, sich für immer zu lieben und das nichts und niemand die Beziehung zerstören wird. Dennoch wissen wir alle, dass nichts für die Ewigkeit und das Leben unberechenbar ist. Die geschiedenen Frauen wissen all das auf einer Hochzeit und trotzdem wird zu "I will survive" getanzt. Ein bitterböser Humor, der sich stets durch die ganze Geschichte zieht und genau das hat mir so unglaublich gut gefallen.

"Aber verheiratet zu sein, bedeutet doch schließlich etwas."
"Nein, Diane, es bedeutet nichts. Wenn einer den anderen nicht mehr liebt, ist die Liebe weg, ob man nun verheiratet ist oder nicht. Die Ehe hat keine Zauberkraft, sie schützt vor gar nichts."
"Aber verheiratete Paare sind stärker, sie halten länger zusammen, das sagt auch die Statistik."
"Aber von Liebe redet die Statistik nie." - Seite 31

Eine sehr amüsante Geschichte, die ich nur schwer zur Seite legen konnte. Mit diesem Buch begann mein Lesejahr 2022 und besser hätte es nicht starten können. Es ist wahrlich eine kurzweilige Geschichte, bei der man einfach nur unglaublich lustige und heitere Lesestunden hat. Perfekt für sommerliche Tage am See. 

Ich bin sicher, es ist weniger schlimm, wenn man alles weiß, sonst verbringt man seine ganze Zeit damit, sich vorzustellen, wie es passiert ist. - Seite 74-75

Schlussendlich ist dieses Buch einfach auch nur ein Appell an all jene Frauen da draußen, sich nicht selbst zu vergessen, Spaß am Leben zu haben und stets einfach nur der Mensch zu sein, der man ist. Eine Frau wie Diane, die alles im Griff hat und sich stets um Mann, Kinder und den Haushalt gekümmert hat, ist wahrlich nicht langweilig. Die Autorin hat dies auch sehr gut rübergebracht, was diese Worte in einer Frau auslösen, wenn man diese von dem Mann zu hören bekommt, den man liebt, stets vertraut hat und mit dem man eigentlich sein restliches Leben verbringen wollte. Worte, die das ganze Kartenhaus zusammenbrechen lassen und man von da an nur an sich selbst zweifelt. Dianes Leben wird wirklich nachvollziehbar und sehr realistisch erzählt und man kann sich in all den Situationen, in denen sie kommt, hineinversetzen. 

Ich dachte immer, dass die Bewährungsproben des Lebens uns stärker macht, uns einander näher gebracht hatten, aber jetzt glaube ich, sie haben uns nur geschwächt ... Vielleicht ist es nicht gut, den anderen zu genau zu kennen. Immer dieselben alten Geschichten, dieselben Verrücktheiten, Fehler, die immer schwerer wiegen ... Ich weiß, dass ich ihm manchmal auf die Nerven gegangen bin. Ich weiß nicht, was zuerst kommt, verliebt man sich in jemand anderen, weil man genug von seiner Frau hat, oder verliebt man sich vorher und hat erst dann genug von ihr? Das Ei oder das Huhn. Ich schäme mich, das ist seltsam, er lässt mich im Stich, und ich schäme mich. Ich habe den Eindruck, dass alle mich ansehen, als hätte ich die Pest, ich bilde mir ein, die Leute denken, dass Jacques seine Gründe hatte, um mich fallen zu lassen, dass ich langweilig oder unerträglich gewesen sein muss. - Seite 78

Dieses Buch ist besser als eine Sitcom und hat bei mir ein Gefühl von bester Unterhaltung hinterlassen. Ich erinnere mich sehr oft und gerne an die Geschichte zurück. Es gab in dieser Geschichte keine Charaktere, die ich nicht mochte. Gefühle und Gedanken, die ich bei allen nachvollziehen und so gut verstehen konnte. Auch mochte ich Diane's beste Freundin unglaublich gerne. Eine so witzige und hilfsbereite Person, die man einfach nur ins Herz schließen kann. Ein Roman, bei dem es definitiv nie langweilig wird. 


  • Herausgeber: Eichborn; 1. Aufl. 2020 Edition (28. August 2020)
  • Sprache: ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
  • ISBN-10: 3847900641
  • ISBN-13: 978-3847900641
  • Lesealter: Ab 16 Jahren
  • Originaltitel: Autopsie d'une femme plate
- draufklicken und in der Buchhandlung bestellen, in der ich arbeite :)

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Hinweis: Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass der von dir geschriebene Kommentar und die personenbezogenen Daten, die damit verbunden sind (z.B. Username, E-Mailadresse, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.

-->